Was ist Diversion?

Mit der Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1990 (1. JGGÄndG) wurden die sogenannten Neuen Ambulanten Maßnahmen in den Sanktionskatalog des JGG aufgenommen. Grundlage dieser Gesetzesänderungen waren zwei elementare Erkenntnisse aus der kriminologischen Forschung.

Jugenddelinquenz ist normal, allgegenwärtig und episodenhaft

Die Mehrheit aller befragten männlichen und weiblichen Jugendlichen gibt in Dunkelfeldstudien an, schon mehrmals strafbare Handlungen im Sinne des StGB begangen zu haben. Verstöße gegen Rechtsnormen sind Ausdruck des jugendspezifischen Aufbegehrens gegen Normen und Werte der Erwachsenen und insofern ein normaler Bestandteil des Reifeprozesses im Jugendalter. Jugenddelinquenz lässt sich in allen gesellschaftlichen Gruppen unabhängig von Schichtzugehörigkeit und ethnischer Herkunft feststellen. In den allermeisten Fällen ist das delinquente Verhalten eine vorübergehende Erscheinung. Die meisten der im Jugendalter strafrechtlich erfassten Personen werden nach Abschluss des jugendlichen Reifeprozesses nicht mehr rückfällig.

Erziehung statt Freiheitsentzug

Kriminologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass freiheitsentziehende Maßnahmen wie Jugendarrest und Jugendstrafe in den seltensten Fällen eine adäquate Reaktion auf Jugendkriminalität darstellen. Vielmehr führt Freiheitsentzug bei Jugendlichen zur Verfestigung einer kriminellen Karriere: Positive Handlungsorientierungen der Betroffenen werden eingeschränkt und integrative soziale Kontakte reduzieren sich. In vielen Fällen beginnen die jungen Menschen sich selbst als Außenseiter oder als „kriminell“ anzusehen und bestätigen mit ihren Handlungen dieses Selbstbild. Jede Verurteilung führt zudem zu einem Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis und erschwert die beruflichen Entwicklungschancen der Jugendlichen erheblich.

Im Rahmen der sogenannten Diversion (wörtl. Umleitung) kann das Jugendgericht die straffälligen Jugendlichen anweisen, an bestimmten erzieherischen Maßnahmen teilzunehmen. Treten die jungen Menschen die Maßnahme an und schließen sie erfolgreich ab, wird das Strafverfahren gegen sie eingestellt und es erfolgt kein Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis. Verweigern sie sich jedoch der Weisung, wird das Verfahren wieder aufgenommen, und es kann schließlich doch noch zu Jugendarrest oder sogar Jugendstrafe kommen.

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